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Begleittext zur Komposition "Traumzeit" von Roswitha Popp Wie haben sie uns schon erschreckt, die Träume. Aber sie konnten uns auch erfreuen. Haben deshalb wohl Träume in vielen Kulturen eine so große Bedeutung? Bringen sie uns nicht in eine andere Welt, sei es bei Tag oder bei Nacht? Wer hat sich nicht schon einmal von Träumen gestoßen, auf seiner Schlafstatt hin und her gewälzt? Diese Phasen des Schlafes, die zwischen Träumen und Tiefschlaf pendeln, kommen in den drei Sätzen, den Traumphasen, und den beiden Zwischenspielen der Komposition "Traumzeit" der Berliner Komponistin Roswitha Popp eindringlich zum Ausdruck. Im ersten Satz, "REM - Rapid Eye Movement", schleichen sich die Traumfetzen langsam in unser Unterbewusstsein und lassen uns spüren, wie die Augen sich unter den geschlossenen Lidern zuckend hin und her bewegen. Diese sich steigernde Aktivität wird durch eine gebrochene Dynamik und eine Rhythmik, die sich zusehends verdichtet, begleitet, um im Höhepunkt vollends von uns Besitz zu ergreifen. Die volle Wucht des Surrealen gewinnt die Oberhand, wobei dies durch die Pentatonik von "c – es – f – g – b" Unterstützung erfährt, ohne dabei das Tonale zu verlassen. Das Cembalo als Leitinstrument bringt den Charakter der Komposition besonders hervor. Die Komponistin lies sich von den Cembalo-Konzerten Bachs inspirieren, verwendet das Instrument aber auf ihre ganz eigene Art. Wie im Schlaf üblich, wird die Traumphase, die unseren Blutdruck steigen, Herzfrequenz und Atmung unregelmäßig werden lies, von einer Phase der Ruhe abgelöst. Das erste Zwischenspiel "Hypnos' Macht" lässt den ersten Satz ausklingen. Hypnos, griechischer Gott des Schlafes, der Vater der Träume und der Bruder des Todes, gewinnt die Macht, drängt sich in unser Bewusstsein und führt uns langsam in die nächste Traumphase des 2. Satzes hinüber. Doch nicht nur Schreckliches hat die Nacht zu bieten. Wer ist nicht schon einmal durch sein eigenes Lachen über einen fröhlich absurden Traum aufgewacht. Solch ein Traum wird im zweiten Satz, "Lied der kleinen Nachtmonster", angeboten. Da kommen nach einem vorsichtigen Augenzwinkern, versteckt in einer Kindermelodie, die kleinen Rabauken, die in einem märchenhaften Spukraum die verrücktesten Dinge treiben, überall herum tollen, über den Boden rutschen, Dinge herum werfen und anderen Unfug treibend sich überbieten wollen. Der Liedcharakter des zweiten Satzes wird dabei durch seinen strophenhaften Aufbau unterstrichen und bringt das Absurde auf lustige Art zur Geltung. Doch auch der größte Unfug findet sein Ende, wenn uns der Tiefschlaf übermannt. Morpheus, der Gott des Traumes, Sohn des Hypnos, ergreift von uns Besitz. Mit seinem Bett aus Elfenbein in seiner dunklen Höhle zieht uns Morpheus von der übermäßigen Ausgelassenheit zurück auf die Ebene der Ruhe. Langsam bereitet er uns im zweiten Zwischenspiel auf die nächste Traumzeit vor. Der dritte Satz mit seinem doppeldeutigen Namen "Morgengrauen" führt uns zu den Träumen, die uns verfolgen und peinigen. Diese wollen nicht enden, jagen uns Schauer über den Rücken und sind so unvermeidlich, wie das unendliche Möbiusband, das keinen Anfang und kein Ende kennt. Der Effekt des sich endlos bewegenden Bandes wird durch die Ruhe des 7/8-Rhythmus und durch die mystische Klangfolge e – f – gis – a – h – c – dis unterstrichen. Die Streicher halten dabei die liegenden Töne e – h – gis – dis. Die Komponistin lies sich bei diesem Klangbild von einer indischen Raga ihres verehrten indischen Improvisationslehrers, Pandit Kamalesh Maitra, inspirieren. Doch auch diese Traumphase findet ein jähes Ende durch einen überraschenden "Knalleffekt". Nach der Überwindung der Prüfungen der Traumwelten wird aus dem Grauen des Morgens ein Morgengrauen im guten Sinne und das Tagewerk kann mit neuen Kräften begonnen werden. Peter Kirsch |
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© Roswitha Popp 2008 |